Biologischer Steckbrief vom Silberfischchen
Oft bleiben sie über lange Zeit unentdeckt – hinter Scheuerleisten versteckt oder unter der Tapete in Heizungsnähe. Silberfische zu entdecken gleicht einem Zufall, solange es nur wenige Exemplare sind. Aber sind sie tatsächlich so schlimm oder gar schädlich, dass die chemische Keule helfen muss?
An oder wegen den Lepisma saccharina hinter Tapeten oder Scheuerleisten aber ganz sicher nicht. Da sind selbst manche Lebensmittel aus dem Supermarkt viel gefährlicher. Und: Außerdem heißen die flügellosen Urininsekten mit den markant langen Antennen im biologischen Sinne und auf Schädlingsbekämpfer-Deutsch „Silberfischchen“, was wiederum nicht bedeutet, dass sie mit ihrer schuppenartigen Ganzkörperverkleidung schwimmen können. Gewöhnliche Exemplare der Silberfische werden in den mitteleuropäischen Breiten zwischen sieben und zwölf Millimeter lang. Ihr äußeres Erscheinungsbild ist stromlinienförmig ausgeprägt, wobei es vom recht breiten Brustabschnitt in Richtung des Hinterleibs immer schmaler wird.
Der Silberfisch hat Bibliotheken zum Fressen gern
Und hier sind die Schäden, die von den bei Dunkelheit mystisch-silberglänzenden Tierchen angerichtet werden, in der Tat besonders schlimm und mitunter tragisch. Im Rudel einfallend, zerstören sie mit ihrem systematischen Schabefraß selbst festere Bucheinbände beinahe restlos, was insbesondere bei wertvollen bibliophilen Schätzen für deren (dann) ehemaligen Besitzer sehr ärgerlich ist. Und? Erkennen Sie sich bereits wieder, als unfreiwilliger Silberfisch Besitzer, der vielleicht sogar schon ein paar Dutzend der ungeliebten Nachtlebewesen mit Zeigefinger sowie zusammengepressten Lippen und Augen getötet hat? In der Tat ist diese Methode der Terrorbekämpfung eine der sichersten für den Moment, aber in der Regel wartet im Verborgenen ein weiteres Schädlingsrudel, das die zerstörerische Arbeit fortsetzen wird.
Wer Schädlinge hat, dem fehlt es an Hygiene?
Ganz bestimmt nicht, denn eine Großfamilie mit Silberfischen ist schneller im Haus, als dass sie wieder draußen sind. Selbst in total cleanen Wohnungen überlebt der Silberfisch noch bei monatelangem Nahrungsentzug unbeschadet und pflanzt sich in dieser Not sogar noch erfolgreich fort. Ihr Vorhandensein kann jedoch ein Indiz für eine sich allmählich anbahnende Gesundheitsgefahr darstellen, da die Schädlinge besonders auf hohe Feuchtigkeitswerte im Haus stehen. Den Silberfischen ist es dabei völlig egal, ob es sich bei ihrem Einmarschgebiet um einen piekfeinen Haushalt oder um die vielleicht etwas verwahrloste Junggesellen-WG handelt – solange es nur mollig warm und schön feucht ist.
Wie kommt ein Silberfisch eigentlich ins Haus?
Ebenso unbemerkt, wie es Asseln, Kleidermotten und Co. auch tun. In vielen Lebensmittelverpackungen, wie beispielsweise von Zucker, Mehl, Grieß oder Müsli und selbst in den Eierkartons sind sie schon drin, wenn wir vom Einkauf aus dem Supermarkt zu Hause eintreffen. Oft kommen sie auch, als Mitbringsel getarnt, im Urlaubskoffer zu uns in die Wohnung. Wer von einer Reise aus asiatischen Breitengraden wieder in den eigenen vier Wänden eintrifft, macht daher nichts falsch, wenn die Koffer mit der schmutzigen Wäsche auf dem Balkon oder der Terrasse ausgepackt und danach gründlich ausgeschüttelt werden.
Die Wissenschaft kennt knapp 500 Arten der Silberfische
Wobei uns das keine Angst machen muss, denn bis zu uns nach Mitteleuropa haben es aus den Tropen, dem ursprünglichen Lebensraum dieser Insektenspezies, nur fünf bis sechs Arten, aber dafür richtig geschafft. Weitgehend unseren klimatischen Verhältnissen angepasst, leben sie nicht nur in nahezu allen Arten von Gebäuden, sondern haben sogar Vogelnester, Abwasserkanäle und andere Insektenhöhlen für sich als Unterschlupf entdeckt. Mit ihren sechs recht kräftigen Beinen sowie zusätzlicher Schlängelbewegung mit Ganzkörpereinsatz sind Silberfische bewegungstechnisch sehr agil, um an ihre bevorzugten Lebensräume im Haus zu gelangen sowie beliebig oft zu wechseln und finden allerbeste Bedingungen bei:
- möglichst konstanter Wärme zwischen 22° und 32° Celsius und
- Luftfeuchtigkeitswerten im Bereich von 80 bis 90 Prozent
Der Silberfisch und sein Speiseplan
Im lateinischen Namen Lepisma saccharina kommt der besonders geliebte Favorit schon zum Vorschein: Der Zucker oder alles, was auch nur die winzigste Spur eines Süßungsmittels enthält, inklusive der süßlichen Bestandteile, die in Pflanzenfasern und Kohlehydraten vertreten sind. Daher wird’s jetzt kurz ein wenig eklig (Vorsicht: Trigger!), wenn Sie erfahren, dass selbst Haare, menschlicher Nagelstaub und Hautschuppen ebenso zu den köstlichen Begehrlichkeiten der Silberfischchen zählen, wie ihr eigener „Nachlass“ aus den jährlich bis zu vier Mal stattfindenden Häutungen.
Silberfischchen vs. Hausmittel, chemischer Keule oder Entzug des Lebensraums
Ganz wie im richtigen Leben der Menschheit, kann ein Gegner nur erfolgreich besiegt werden, wenn man ihn (nach langer Beobachtung) ganz genau kennt. In Bezug auf den unerwünschten Besuch der Silberfische müssen Sie als unfreiwillige Gastgeber daher noch wissen, dass der „jugendliche“ Silberfisch im ersten Jahr seiner Population durchaus in der Lage ist, völlig ohne Nahrung auszukommen. Danach ist seine Geschlechtsreife vollständig ausgebildet und er wird sich, wenn Sie ihn lassen, vor seiner natürlichen Verendung noch weitere zwei bis vier Jahre bester Gesundheit erfreuen. In Partnerschaft mit einem Weibchen werden über diese Zeit ungefähr 150 Nachkommen das Licht der Welt erblicken, sodass Sie mit den Jahren ein Problem haben könnten, wenn die Tierchen alle in Gemeinschaft und an einer Stelle auftreten. Das Ungeziefer ist dabei nicht das eigentliche Thema, sondern die sofortige Beseitigung der offensichtlich feuchten Stelle im Haus, was den Silberfischen ihren Lebensraum entzieht. Womit sich schließlich der Ärger mit Lepisma saccharina auch erledigt haben wird und Sie nur noch den eventuell hartnäckig verbleibenden Tierchen das Leben schwer machen müssten.
Silberfische bekämpfen mit einfachen Kartoffelfallen
Wohlgemerkt geht es bei dieser Methode nicht um die Beseitigung hunderter dieser Plagegeister, sondern eher um die in kleinen Gruppen langzeitig sesshafter Silberfische. Die Funktionsweise dieser Silberfischbekämpfung ist über Jahre bewährt und recht einfach zu bewerkstelligen. Und das geht so:
- Mittelgroße, rohe Kartoffeln schälen und in dünne Scheiben schneiden;
- Das Ganze auf einen Bogen Pergamentpapier oder ein dünnes (damit die Silberfische den Höhenunterschied bewältigen können) Holzbrettchen legen;
- Abwarten und eventuelle Spuren beobachten;
- Normalerweise werden sich die in der Nähe befindlichen Tiere dort zum Fressen versammeln;
- Falls nicht, eine andere Stelle wählen, bis man sie genau lokalisiert hat;
- Kartoffeln zusammen mit Silberfisch auf dem Kompost entsorgen.
Auch todsichere Hausmittel wirken nicht immer
Zucker-, süßstoff- und stärkehaltige Lebensmittel eignen sich generell ausgezeichnet dazu, um Silberfische aus der Reserve und damit meist in die Falle zu locken. Reiche Beute machen ehrenamtliche Schädlingsbekämpfer in der Regel mit folgenden Lockangeboten:
- Honig, Marmelade, Gelee oder Zuckersirup;
- gekochte Hülsenfrüchte (Erbsen, Bohnen, Linsen);
- weiche Bonbons, Keks- und Kuchenkrümel;
- Apfelschalen, halbierte und entsteinte Pflaumen;
Die Lebensmittel immer auf eine leicht von den Silberfischen zu besteigende Unterlage (Pergament, Papier, Pappe oder dünnes Holz) deponieren und am besten draußen auf dem Kompost entsorgen.
Achten Sie beim Einsatz dieser Fallen darauf, dass SIE damit zu den Silberfischen gelangen müssen und nicht umgekehrt. Die Tierchen werden einen Teufel tun geschweige denn, ihr gewohntes feuchtwarmes Umfeld verlassen, wenn sie in den kalten Flur oder unbeheizte und zu trockene Räume gelockt werden sollen.
Natürlich sind auch im Netz todsichere und mitunter tollkühne Tipps gegen den Silberfisch zuhauf anzutreffen. Der überwiegende Teil davon jedoch ist völlig unbrauchbar oder als „verkaufsfördernde Empfehlung“ von den auf Umsatz bedachten Affiliate-Portalen inszeniert. Nur wenig bzw. sogar völlig wirkungslos sind zum Beispiel folgende „Mittel“ gegen die Silberfischchen:
- doppelseitiges und mit Zucker (oder Zuckersirup) bestreutes Klebeband;
- Zitronen- und Lavendelkonzentrate als Duftstoffe, um die Silberfischchen zu vertreiben oder
- ein Zucker-Backpulver-Gemisch, das die Innereien der Schädlinge zum Bersten bringen soll.
Industrielle Kampfmittel gegen den Silberfisch aus dem Gartencenter
Ein Elektronikversender wirbt mit einem Universal-Ultraschall-Schädlingsschreck, der eine Fläche von 700 m2 durch ultrahohe Frequenzen nagetier- und schädlingsfrei halten soll. Versuchen Sie es besser nicht, wenn die bislang guten Beziehungen mit Ihrer Nachbarschaft auch weiterhin anhalten sollen. Silberfischchen gehören unbestritten zu den Schädlingen und sind von der Optik her ganz sicher unästhetisch bis eklig. Aber sie werden, wenn man sie zielgerichtet verfolgt, keinen Schaden anrichten und erst recht nicht Verursacher gesundheitlicher Probleme für die Hausbewohner sein. Damit wären wir schon bei den gefühlten Tausend verschiedenen Arten von Silberfisch-Ungeziefer-Sprays und Silberfischchenködern, die nicht nur toxisch teilweise höchst bedenklich, sondern auch noch bienenunverträglich sind. Abgesehen davon muss von solchen Kampfstoffen dringend abgeraten werden, wenn Kinder, ältere Menschen, Allergiker oder Haustiere mit in der Wohnung leben.
Ausnahmefall: Silberfisch Invasion bei der Altbausanierung
Lange unbewohnt gebliebene Häuser, die bereits vor Jahrzehnten errichtet wurden, neigen verstärkt als Massenquartier für ganze Heerscharen von Silberfischchen. Sollen solche Gebäude von Grund auf saniert und bewohnbar gemacht werden, bekommt man die Tierchen zwar relativ schnell und gründlich mittels Industriestaubsauger entfernt. Dennoch können aus der noch vorhandenen Brut auch nach der Sanierung noch Tausende von neuen Tieren heranwachsen, sodass es Sinn macht, vor der Rekonstruktion großflächig mit chemischen Insektiziden zu arbeiten. Für diesen, gesundheitlich nicht ungefährlichen Job gibt es sach- und fachkundige Unternehmen für Schädlingsbekämpfung. Die Mitarbeiter wissen, wie Insektizide ausgebracht werden, sichern die über eine gewisse Zeit nicht begehbaren Räumlichkeiten und arbeiten in einer normgerechten Schutzausrüstung. Zu viel an Eigeninitiative durch Selbermacher führt mitunter nicht nur bei den Silberfischen zur Kampfunfähigkeit!
Entspannter Umgang mit dem Silberfisch hilft mehr als Hysterie
Im Grunde genommen sind die kleinen Rüsseltierchen eigentlich die besten und zuverlässigsten Schimmelbeobachter, die Hauseigentümer mitunter vor erheblichen finanziellen Schäden bewahren. Sie beißen nicht, versprühen keine Gifte und es ist bis heute nicht bekannt, dass sie Krankheitserreger an die Menschen übertragen. Sie gehören zur Lieblingsnahrung der Spinnen, also gilt hier die jahrtausendealte Regel, dass sich die Natur, nach dem Prinzip „Katze frisst Maus“, selbst reguliert. Die Wahrscheinlichkeit, dass Sie im Sommer eine vielfache Menge an Fliegen und Mücken gegenüber der Anzahl an Silberfischen im Haus haben, ist übrigens sehr groß. Man muss Lepisma saccharina trotzdem nicht mögen, vielleicht aber einfach tolerieren, wenn ihre Anzahl an den Fingern von zwei Händen abzählbar ist und sie nicht gerade über die Bettdecke krabbeln?