Die Anfänge der WDVS sind untrennbar mit der zunehmenden Verbreitung des von der BASF entwickelten synthetischen Dämmstoffs EPS/Styropor verbunden. Das erste entsprechende System wurde im Jahr 1957 in Berlin verbaut, in den 1960er Jahren gewannen WDVS allmählich größere Bedeutung. Die frühen WDVS waren noch weit entfernt von heutigen Wärmedämmungsstandards, beispielsweise beliefen sich die damaligen Dämmstoffdicken auf 20 bis 50 Millimeter. Trotzdem bewirkten die Systeme eine bis dato nicht erreichte Energieersparnis, die spätestens seit den Ölkrisen der Jahre 1973 und 1979 als Anforderung an die Bauwirtschaft eine immer größere Rolle spielte. Am 1. November 1977 trat die erste bundesdeutsche Wärmeschutzverordnung in Kraft, 2002 wurde sie zusammen mit der bisherigen Heizungsanlagenverordnung durch die Energieeinsparverordnung (EnEV) abgelöst. WDVS wurden ebenso wie andere Methoden zur Wärmedämmung in diesem Prozess kontinuierlich aufgewertet.
Tabelle 1: m2-Kosten für WDVS und andere Formen der Außendämmung von Fassaden
Form der Außendämmung | Kosten pro m2 |
---|---|
WDVS | 100 – 150 Euro |
Isolierklinker (Spezialform eines WDVS) | 170 Euro |
Hinterlüftete Vorhangfassade | 170 – 300 Euro |
Was sind WDVS?
WDVS sind integrierte Systeme mit aufeinander abgestimmten Baustoffen zur Außendämmung der Fassade von Gebäuden. Der jeweils verwendete Dämmstoff ist das Herzstück des Gesamtsystems, nach dem sich die verwendeten Putze und Mörtel sowie die Stärken der Putzschicht richten. Außerdem liefern die Hersteller die komplette Ausstattung für Befestigung und Montage der Systeme.
Hohe baurechtliche Anforderungen an das Gesamtsystem
Dämmstoffe, die in einem WDVS verwendet werden, müssen im Hinblick auf ihre Materialeigenschaften hohe Anforderungen erfüllen. Neben ihrer Wärmedämmungsleistung spielt das Brandverhalten hier eine wesentliche Rolle, unter anderem war EPS/Styropor wegen seiner angeblich mangelnden Feuersicherheit bereits mehrfach in die Kritik geraten. Dieses Thema kann jedoch als weitgehend abgeschlossen gelten: Alle Wärmedämmstoffe müssen mindestens die Anforderungen der Baustoffklassen B2/E erfüllen, dürfen – gegebenenfalls durch Zugabe von Flammschutzmitteln – also höchstens normal brennbar und entflammbar sein. Falls für das Gebäude erhöhte Brandschutzanforderungen gelten sollen, kommen stattdessen Dämmstoffe der Baustoffklassen A1 (nicht brennbar/nicht entflammbar) oder A2 (geringer Anteil brennbarer Materialien) in Frage, zu denen beispielsweise alle mineralischen Dämmstoffe gehören.
Individuelle Prüfung und Zulassung der Systeme
WDVS werden durch das Deutsche Institut für Bautechnik geprüft und auf individueller Basis zugelassen. Eine einheitliche und verbindliche Normierung für die Systeme gibt es nicht, folglich entwickelt jeder Hersteller sein eigenes System. Voraussetzung für die baurechtliche Zulassung von WDVS ist, dass alle Komponenten – Dämmstoffe, Putz, Mörtel, Kleber, Armierungen sowie Montageelemente vom ein- und demselben Hersteller geliefert werden. Wenn diese Bedingung nicht erfüllt wird, handelt es sich de facto um eine illegale Baumaßnahme. Die Zulassung eines WDVS regelt außerdem den gesamten Prozess seiner Applikation auf die Fassade. Bereits geringe Abweichungen von den Zulassungsinhalten stellen aus baurechtlicher Sicht einen Mangel dar.
WDVS in Eigenleistung applizieren?
Viele Bauherren sind daran interessiert, einen möglichst großen Teil der Bauarbeiten als Eigenleistung zu erbringen. Bei Verwendung eines WDVS ist dieser Schritt zu größerer Kosteneffizienz grundsätzlich ausgeschlossen. Die Auswahl des passenden Systems erfordert ebenso wie seine Montage Expertenwissen. In der Regel werden die Bauarbeiten durch Stuckateure ausgeführt.
Kosten für ein WDVS
Im Hinblick auf die erforderlichen Investitionen liegen WDVS im guten Mittelfeld der Kosten für eine äußere Fassadendämmung. Der m2-Preis für die Systeme bewegt sich je nach Konstruktion und Dämmstoff zwischen 100 und 150 Euro, im Schnitt werden pro m2 etwa 120 Euro fällig. Zum Vergleich: Eine hinterlüftete Vorhangfassade kostet pro m2 170 bis 300 Euro, für Isolierklinker – eine spezielle Form des WDVS, das sich insbesondere für die energetische Sanierung älterer Häuser eignet – fallen m2-Kosten von ca. 170 Euro an.
Hersteller von WDVS
WDVS werden von zahlreichen deutschen und europäischen Baustoffproduzenten angeboten, hierzu gehören unter anderem Brillux, der Mineralwollhersteller Rockwool, Homatherm, IsoBouw und Pavatex.
Aufbau eines WDVS
Die Systeme eignen sich sowohl für Neubauten als auch zur Sanierung. Sie bestehen aus mehreren Komponenten. Die Dämmplatten werden auf dem Fassadenmauerwerk verlegt, ihre Befestigung erfolgt je nach den baulichen Gegebenheiten mit Klebern, Dübeln oder Schienen. Daneben sind auch Kombinationen dieser Befestigungsvarianten möglich. Auf dem Dämmstoff befindet sich eine zwischen 1,5 und 5 mm dicke Armierungsschicht aus einem speziellen Armierungsmörtel mit eingearbeitetem Glasfasergewebe. Das Gewebe verteilt die Fassadenspannung flächig und verhindert auf diese Weise Risse im Putz, die durch Temperaturunterschiede zwischen der äußeren Fassadenabdeckung und dem Untergrund entstehen. Den Abschluss des Systems bildet der Außenputz.
Wann kommt welche Befestigungsoption zum Einsatz?
Die Befestigung eines WDVS hängt davon ab, welche Belastung durch das Gewicht des Dämmstoffs die Konstruktion zu verkraften hat. Leichte Dämmplatten mit einem Gewicht von maximal 10 kg/m2 werden direkt auf der Außenwand verklebt – der Flächenanteil der Verklebung sollte systemabhängig zwischen 40 und 100 Prozent betragen. Verdübelungen sind insbesondere in Regionen mit hoher Windlast und entsprechenden Witterungsbelastungen üblich, ab einer bestimmten Gebäudehöhe werden sie bauaufsichtlich vorgeschrieben. Bei einer WDVS-Dämmung von Altbauten ist eine duale Lösung – die Kombination aus Klebung und Verdübeln – oft auch aus baustatischen Gründen nötig. Auch WDVS aus mineralischen Dämmstoffen in größeren Formaten und mit einem entsprechenden Gewicht werden meist sowohl verklebt als auch verdübelt. Schienensysteme finden – auch aufgrund ihres vergleichsweise höheren Preises – fast ausschließlich auf stark unebenem Untergrund Verwendung. Auf eine Verklebung kann hierbei komplett verzichtet werden.
Oberputze für WDVS
Der Außenputz eines WDVS kann aus anorganischen/mineralischen oder organischen Materialien bestehen. Zu ersteren gehören Kalkputz, Kalkzementputz sowie Kalkzementleichtputz, zu den organischen Putzen beispielsweise Produkte auf Silikat- oder Kunstharzbasis. Für hochgradig diffusionsoffene WDVS mit Naturdämmstoffen kommen auch Lehmputze in Frage.
Bei mineralischen Putzen oder Lehm kommen sowohl bauphysikalische als auch ökologische Vorteile zum Tragen. Sofern mineralische Putze verwendet werden, sind Strukturputze (Kratzputze) meist die erste Wahl, da sie keinen Anstrich benötigen und einen guten Schutz vor Feuchtigkeitsfolgen – beispielsweise Algenbildung – bieten. Die höhere Dichte dieser Materialien bewirkt eine bessere Wärmespeicherfähigkeit, was unter anderem die Abkühlung der Außendämmung in der Nacht und damit die Bildung von Kondenswasser verhindert. Insgesamt sorgen Mineralputze und Lehm für eine deutlich bessere Feuchtigkeitsbalance der Außenwände. Ihr im Vergleich zu organischen Baustoffen höherer pH-Wert vermindert das Risiko von Algenwachstum sowie Pilzbefall.
Anstrich
Sowohl für organische als auch für mineralische Putze ist – mit Ausnahme von Strukturputzen – ein einmaliger Egalisationsanstrich empfehlenswert. Er schützt vor unschädlichen Bewitterungserscheinungen, beugt bei eingefärbten Putzen Farbtonveränderungen vor und verbessert die Resistenz gegen Algenbefall und Pilze. Hierfür finden Dispersions-Silikat- oder Silikonharzanstriche Verwendung. Bei der Verwendung von mineralischen Dämmungen und Naturdämmstoffen ist wichtig, dass der Anstrich die Diffusionsoffenheit des Systems nicht zerstört wird.
Spezielle bauphysikalische Aspekte
Ebenso wie bei anderen Dämmungsformen muss auch bei einem WDVS der Kondenswasserausfall in der Wand und/oder der Dämmschicht unbedingt vermieden werden. Erreicht wird dies unter anderem dann, wenn die Wärmedämmfähigkeit nach außen stärker wird, der Wasserdampfdiffusionswiderstand hingegen abnimmt.
Da in einem WDVS verschiedene Materialien – Dämmschicht und Außenputz – aufeinandertreffen, müssen unterschiedliche Wärmedehnzahlen (Ausdehnungskoeffizienten) berücksichtigt werden, um Spannungsrisse zu vermeiden.
WDVS-Dämmstoffe
Die weitaus meisten Dämmstoffe sind auch für WDVS geeignet. Ausschlaggebend ist, ob eine Verwendung in Form von Dämmplatten mit ausreichender Materialfestigkeit möglich ist. Beispielsweise können Hanfdämmungen aus diesem Grund nicht für WDVS verwendet werden.
WDVS wurden lange vor allem als EPS/Styropor-Dämmsysteme angeboten, für Altbausanierungen kamen alternativ die stark diffusionsoffenen Kalziumsilikatplatten zum Einsatz. Inzwischen hat sich das Spektrum der Möglichkeiten hier stark erweitert. Vor allem Mineralwollen – Stein- und Glaswolle – sind für moderne WDVS ein beliebter Dämmstoff. Für möglichst natürliche Dämmungslösungen werden oft Holzfaserplatten in die Systeme integriert.
Tabelle 2: Ausgewählte Dämmstoffe für WDVS
Dämmstoff | Wärmeleitfähigkeit (W/mK) | Mindestdämmdicke (cm) | Kosten/m2 (EUR) |
---|---|---|---|
EPS/Styropor | 0,035 – 0,045 | 14 | 5 – 20 |
Steinwolle | 0,035 – 0,040 | 14 | 10 – 20 |
Glaswolle | 0,032 – 0,040 | 14 | 10 – 20 |
Holzfaser | 0,04 – 0,055 | 18 | 40 – 50 |
Kalziumsilikat | 0,065 | 20 | 80 |
Vorteile von WDVS
- Effektive Wärmedämmung
- Hohes Energiesparpotenzial
- Schutz der Bausubstanz
- Guter bis sehr guter Hitzeschutz
- Wertsteigerung des Gebäudes.
Nachteile von WDVS
- Relativ hohe Investitionskosten: Im Hinblick auf die Kosten für ein WDVS wirken sich insbesondere die Vorbereitungsarbeiten – Gerüstbau, Vorbereitung der Fassade, Abschlagen des alten Putzes – aus. Hinzu kommt die Notwendigkeit hochwertiger Materialien für die Dämmschicht und den Putz. Der finanzielle Aufwand für ein WDVS lässt sich erheblich senken, wenn seine Montage mit einer ohnehin fälligen Fassadensanierung kombiniert wird. Außerdem gilt: Je großflächiger die zu dämmenden Fassaden sind, desto wirtschaftlicher sind die Kosten.
- Perfekte Ausführung: Ein WDVS erfordert größte Sorgfalt bei der Ausführung, neben der Montage des Systems sind hier auch die Anschlussarbeiten – beispielsweise an Fenstern, Türen oder Leitungsdurchbrüchen – von Bedeutung. Auch das Erreichen einer optimalen Feuchtigkeitsbalance der Außenwand erfordert sehr solide handwerkliche Expertise.
- Algenbildung: Zwar hat diese keinen Einfluss auf den Zustand der Bausubstanz, beeinträchtigt jedoch das optische Erscheinungsbild des Hauses. Ausreichende Dachüberstände sowie korrekt angeschlossene Fensterbänke sind bei einem WDVS besonders wichtig. Hydrophile (Feuchtigkeit aufnehmende) Mineralputze entfalten eine präventive Wirkung.
- Spechtlöcher: Spechtlöcher können zur Bildung von Wärmebrücken führen, lassen sich durch einen Fachhandwerker jedoch schnell und einfach reparieren.
Wann sind WDVS nicht geeignet?
WDVS eignen sich insbesondere für die Wärmedämmung großflächiger Fassaden. Grenzen ihrer Verwendungsmöglichkeiten sind immer dann gegeben, wenn die Außenfassade des Gebäudes nicht verändert werden soll. Für die Wärmedämmung denkmalgeschützter Häuser sind die Systeme daher nicht geeignet.