Was bedeutet autark?
Der Begriff „autark“ meint in seiner Grundbedeutung so etwas wie Unabhängigkeit und Freiheit von äußeren Einflüssen und Leistungen. Hier beginnt bereits das Begriffsdilemma. Für die einen sind autarke Häuser schon solche, die ihren Strom komplett selbst erzeugen, andere lassen nur echte Autarkie gelten – also die völlige Unabhängigkeit von Versorgungsnetzen aller Art.
In diesem Sinne wird auch der amerikanische Begriff „off the grid“ unterschiedlich verwendet. In Deutschland ist eine vollständige Unabhängigkeit von allen Versorgungsnetzen schon aus baurechtlichen Gründen nicht möglich.
Und für eine korrekte Begriffsdefinition müsste man dann auch überlegen, ob die straßenbauliche Erschließung eines Hauses schon eine Form der Versorgung darstellt. Zumindest im streng ökologischen Sinne ist auch sie ein massiver Eingriff in die Umwelt, der über das einzelne Haus hinausgeht.
Es kommt also immer darauf an, aus welchem Blickwinkel man das Wort „autark“ definiert.
Energetisch autarke Häuser
Im heutigen Sprachgebrauch – zumindest in den Massenmedien – wird unter „autark“ vor allem energetisch autark verstanden. Darunter fällt aber bereits jedes Wohngebäude, auf dessen Dach sich eine Photovoltaikanlage befindet und das seinen Strom nicht aus dem öffentlichen Netz bezieht. Das ist nach heutigem Stand der Technik keine besondere Leistung.
Ganz abgesehen davon, dass ein grundlegender Netzanschluss in den meisten Fällen vorhanden sein muss. Zum einen, weil für die Errichtung des Hauses in der Regel Baustrom für die Baumaschinen benötigt wird, zum anderen, weil bei der Wiedereinspeisung des erzeugten Stromüberschusses in das öffentliche Netz ein Netzanschluss vorhanden sein muss.
Ökologisch könnte es auch sinnvoller sein ein bestehendes Netz zu nutzen, um Strom zu geben und zu nehmen, anstatt Überschüsse lokal zu speichern und am Einzelobjekt entsprechend zu verwerten – aber hier gehen die Meinungen bislang auseinander.
Vollkommen autark leben
Vollständige Autarkie ist in Deutschland derzeit noch ein schöner Zukunftstraum, der schon aus rechtlichen Gründen nicht funktioniert. Zumindest ein Anschluss an die Kanalisation muss vorhanden sein, und damit ist meist zwangsläufig auch ein Anschluss an die Wasserversorgung verbunden. Gebaut werden darf nur, wo auch eine Kanalisation besteht. Die Nutzung von Regenwasser als Trinkwasser ist in Deutschland zudem verboten.
Vorteile und Nachteile von autarken Häusern
Auch hier muss man die einzelnen Autarkie-Begriffe getrennt betrachten, immer abhängig davon, was gemeint ist. Energetische Unabhängigkeit – also die Selbstversorgung mit Strom und Wärme – hat natürlich Vorteile:
Vorteil 1: Unabhängigkeit
Die Unabhängigkeit von den öffentlichen Netzen und der Preispolitik der öffentlichen Versorger sowie vom Staat, der ja indirekt auch eine ganze Menge Steuern aus der öffentlichen Versorgung zieht, ist natürlich ein klarer Vorteil.
Vorteil 2: Kostenreduktion
Abgesehen von der notwendigen Erstinvestition bedeutet das ab der Amortisation auch eine deutliche Kostenreduktion und Kostensicherheit für die Zukunft, die bei netzabhängigen Häusern so nicht gegeben ist. Sie sind immer abhängig von den Preisvorstellungen der örtlichen Energieversorger und den politischen Entscheidungen zu Ökosteuern und Steuerzuschlägen. Bei kompletter Autarkie würde sich dieser Vorteil auch auf die Wasser- und Abwasserkosten erstrecken, was aber, wie bereits erwähnt, technisch nicht möglich ist.
Nachteile
Die wesentlichen Nachteile liegen vor allem im Bereich der Ausfallsicherheit und der Notwendigkeit einer eigenen Energiespeicherung vor Ort, die derzeit technisch noch nicht besonders gut lösbar und in der Regel sehr teuer ist. Bei gänzlich fehlender Anbindung an ein bestehendes Energienetz ist ein Ausfall des Systems mit einem Verlust von elektrischer Energie und in den meisten Fällen auch von Heizwärme und Warmwasser verbunden.
Gerade im Winter können hier schnell große Probleme entstehen, insbesondere wenn die Versorgung mangels bestehender Netzanbindung nicht überbrückt werden kann. Für diesen Fall müssen entsprechende Vorkehrungen getroffen werden, was einen weiteren Kostenaufwand bedeutet. Möglich ist es aber natürlich – auch schon mit heutiger Technik.
Autarke Technologien im Überblick
1. Strom
Strom für ein autarkes Haus kann auf verschiedene Weise gewonnen werden – durch Photovoltaik, aus einem Blockheizkraftwerk, von einem Windrad oder einer Windturbine auf dem Dach oder durch eine Kombination verschiedener Möglichkeiten. Photovoltaik ist der kommerziell am besten erschlossene Bereich, hier sind auch die Kosten für die technische Ausrüstung in den letzten Jahren sehr stark gesunken.
Für eine wirkliche Unabhängigkeit vom Netz braucht es dann aber auch Speichertechnologien, die entweder sonnenlose Zeiten oder Ausfälle der Anlage überbrücken können. Hier ist die Technik aber noch teuer und für diese Zwecke nicht so leistungsfähig, wie sie eigentlich sein sollte.
2. Heizung
Heizwärme wird heute ohnehin überwiegend autark erzeugt – sei es mit dem klassischen Ölkessel oder mit Wärmepumpentechnik. Fernwärme ist heute nur noch in wenigen Gegenden wirklich ein Thema, überwiegend sind die Häuser bereits heizungstechnisch autark.
Eine Verbindung mit der jeweiligen autarken Stromgewinnung herzustellen, auch für die Warmwasserbereitung, würde als Gesamtkonzept aber natürlich Sinn machen – ähnlich wie beim Blockheizkraftwerk.
3. Wasser
Die Wasserversorgung über Regenwasser ist theoretisch möglich, und bei geringfügigem Einschränken sind die Niederschlagsmengen dafür heute auch für einen einzelnen Haushalt durchaus ausreichend, entsprechende Speicherung vorausgesetzt.
Die Nutzung von Regenwasser ist in Deutschland allerdings nur für die Gartenbewässerung sowie für Toilette und Waschmaschine erlaubt. Dafür müssen zwei getrennte Kreisläufe im Wasserleitungssystem vorhanden sein und nachgewiesen werden. Außerdem muss für das gesamte abfließende Regenwasser Abwassergebühr bezahlt werden – egal ob es genutzt wird oder versickert.
4. Abwasser
Zur Entsorgung des anfallenden Abwassers bieten sich einerseits die auch früher üblichen Sickergruben an, andererseits eine eigene Wasseraufbereitung, die heute zwar technisch aufwendig, aber in entsprechend konzipierten Kleinanlagen für ein einzelnes Haus möglich ist.
Komposttoiletten sind eine gute Möglichkeit, Fäkalien zu entsorgen. Sickergruben sind heute nur noch dort zulässig, wo keine Kanalisation vorhanden ist und trotzdem eine Baugenehmigung erteilt wird. Solche Gebiete gibt es in Deutschland aber nur noch sehr vereinzelt, wenn überhaupt.
Ein Anschluss an das öffentliche Wasser- und Kanalnetz ist heute praktisch unumgänglich. Autarkie gibt es hier nicht, und das wird sich so schnell auch nicht ändern.
Der Preis der Unabhängigkeit
Die Kosten für die Schaffung von Autarkie – dort, wo sie gesetzlich erlaubt ist – sind heute enorm hoch. Die notwendige Technik ist immer noch aufwändig und erfordert hohe Investitionen, die sich erst einmal rechnen müssen. Irgendwann ist es aber soweit.
Käuflich erwerbbare „Konzepthäuser“
Man kann heute sogar schon „autarke Fertighäuser“ bestellen – in der Regel sind das aber nur Niedrigenergiehäuser mit eigener Stromerzeugung über Photovoltaik, kein besonders gelungenes Konzept. Von echter Autarkie sind solche Häuser noch weit entfernt – eben weil dies in vielen Bereichen aus rechtlichen Gründen meist gar nicht zulässig ist. Ein Niedrigenergiehaus mit PV-Anlage kann man allerdings auch selbst bauen, das ist keine besondere technische Entwicklung.
Autarkie ist aber insgesamt ein sehr potentes Schlagwort – viele Menschen scheinen sich nach Unabhängigkeit und Selbstbestimmung zu sehnen. Vor allem nach Unabhängigkeit von undurchschaubaren Preisen und gesteuerten Preissteigerungen sowie von politischer Steuererpressung bei grundlegenden Versorgungsgütern wie Energie. Damit ist Autarkie zu einem gewissermaßen magischen Wort geworden, das sehr anziehend wirkt.
Alternative Wohnkonzepte, die autarke Technologien unterstützen können
Im Bereich des alternativen und nachhaltigen Bauens gibt es einige Wohnkonzepte, die eine autarke Versorgung von vornherein in ihr Konzept einbeziehen. Die wenigsten dieser Projekte würden bisher überhaupt eine Baugenehmigung erhalten, aber es sind ja auch nur Konzepte. Interessant sind hier Ansätze wie EarthBerm Homes und Hausboote oder sogenannte Floating Homes, die beispielsweise in Hamburg als Musterprojekt errichtet wurden.
Auch ein sehr interessanter Trend zu minimalem Wohnen in sehr kleinen, aber clever organisierten Häusern und Containerhäuser, die per LKW oder Tieflader transportiert und an beliebigen Orten aufgestellt werden können, sind nur einige der Planungsüberlegungen, die sich eine große Zahl von Designern und Architekten machen.
Bislang lassen die engen gesetzlichen Grundlagen praktisch keine vom traditionellen Einfamilienhaus abweichenden Wohnformen zu. Das könnte sich in Zukunft aber womöglich auf Druck der Öffentlichkeit und dem Wunsch nach neuen, ökologischeren oder einfach moderneren Wegen des Wohnbaus doch irgendwann ändern. Im Zuge dieser Veränderungen werden dann vielleicht auch neue Möglichkeiten für die Autarkie eines Wohngebäudes zugelassen. Bis dahin wird aber sicherlich noch viel Wasser die staatlich kontrollierten und abgerechneten Leitungen hinunterfließen.