Was ist Vergütungsstahl?
Vergütungsstahl ist eine spezielle Art von Stahl, die für Anwendungen entwickelt wurde, die hohe Festigkeit und Zähigkeit erfordern. Der Prozess des Vergütens beinhaltet das Härten des Stahls durch eine Wärmebehandlung und anschließendes Anlassen, was die mechanischen Eigenschaften des Stahls optimiert. Durch diesen Prozess erhält der Stahl eine hohe Zugfestigkeit, Dauerfestigkeit und Zähigkeit, wodurch er sich für anspruchsvolle Anwendungen eignet.
Ein zentraler Faktor für die Eigenschaften von Vergütungsstahl ist der Kohlenstoffgehalt, der sich typischerweise zwischen 0,2 % und 0,65 % bewegt. Dieser Kohlenstoffbereich erlaubt eine gute Balance zwischen Härte und Zähigkeit. Zudem werden oft Legierungselemente wie Chrom, Mangan, Nickel und Molybdän hinzugefügt, um die Eigenschaften des Stahls weiter zu verbessern und für spezifische Anforderungen anzupassen.
Kohlenstoffgehalt und Legierungselemente
Der Kohlenstoffgehalt und die Legierungselemente sind entscheidend für die Eigenschaften von Vergütungsstahl. Ein Kohlenstoffgehalt zwischen 0,2 % und 0,65 % ermöglicht eine gute Balance zwischen Härte und Zähigkeit. Elemente wie Chrom, Mangan, Nickel und Molybdän werden häufig hinzugefügt, um spezifische Eigenschaften wie Korrosionsbeständigkeit und Verschleißfestigkeit zu verbessern. Chrom erhöht die Härte und Korrosionsbeständigkeit, Mangan verbessert die Zähigkeit und Härtetiefe, Nickel steigert die Festigkeit, ohne die Zähigkeit zu beeinträchtigen, und Molybdän erhöht die Verschleißfestigkeit.
Die Anpassung der Legierungselemente erfolgt je nach Sorte und Einsatzzweck, um die gewünschten Materialeigenschaften zu erzielen. In stark beanspruchten Bauteilen finden höhere Gehalte an Nickel und Chrom Anwendung, was die Zugfestigkeit und den Widerstand gegen Verschleiß optimiert.
Vergütungsprozess: Härten und Anlassen
Der Vergütungsprozess besteht aus zwei wesentlichen Schritten: dem Härten und Anlassen. Zuerst wird der Stahl auf hohe Temperaturen zwischen 800 °C und 900 °C erhitzt, um ihn zu austenitisieren. Nach kurzem Verweilen auf dieser Temperatur wird der Stahl abgeschreckt, meist durch Eintauchen in Wasser, Öl oder Salzlösungen. Dieses schnelle Abkühlen erzeugt ein Martensitgefüge, das extrem hart ist.
Um die Sprödigkeit zu reduzieren und die Zähigkeit zu erhöhen, folgt das Anlassen bei Temperaturen zwischen 200 °C und 700 °C. Dieser Prozess wandelt das Martensitgefüge teilweise in zäheres Ferrit und Perlit um und baut Spannungen ab, wobei die Festigkeit weitgehend erhalten bleibt.
Die zentralen Schritte des Vergütungsprozesses sind:
1. Erwärmen auf Härtetemperatur (Austenitisieren):
- Temperatur: 800 °C bis 900 °C
- Verweildauer: Kurzes Verweilen zur Homogenisierung
2. Abschrecken:
- Methoden: Wasser, Öl oder Salzlösungen
- Ziel: Bildung von Martensit für hohe Härte
3. Anlassen:
- Temperatur: 200 °C bis 700 °C
- Ziel: Abbau von Spannungen und Erhöhung der Zähigkeit
Die genauen Einstellungen variieren je nach Stahlsorte und den gewünschten mechanischen Eigenschaften. Eine präzise Steuerung und Überwachung des Prozesses ist daher unerlässlich.
Mechanische Eigenschaften und Festigkeit
Vergütungsstahl bietet herausragende mechanische Eigenschaften, die ihn besonders für anspruchsvolle Anwendungen prädestinieren. Zugfestigkeit und Streckgrenze sind zwei der wichtigsten Kennzahlen. Vergütungsstähle können Zugfestigkeiten von bis zu 2000 MPa erreichen. Die Streckgrenze gibt an, bis zu welchem Punkt das Material elastisch verformbar ist. Der Kerbschlagwert, der die Zähigkeit beschreibt, ist ein weiterer wichtiger Faktor, da er die Fähigkeit des Stahls zur plastischen Verformung ohne Bruch misst.
Hier einige charakteristische Werte:
- Streckgrenze: Variiert je nach Sorte, z.B. 400 MPa bei C22E bis 600 MPa bei 42CrMo4.
- Bruchdehnung: Liegt bei üblichen Vergütungsstählen wie C22E bei einem Minimum von 22 %.
- Härte (HB): Erreicht Werte um 300 bei C55E.
Diese Eigenschaften machen Vergütungsstahl zu einem idealen Werkstoff für Anwendungen, bei denen hohe Festigkeit, gute Zähigkeit und Verschleißfestigkeit gefordert sind.
Anwendungsbereiche von Vergütungsstahl
Vergütungsstähle sind aufgrund ihrer hohen Festigkeit und Zähigkeit in zahlreichen Branchen unverzichtbar.
Fahrzeugbau
Typische Bauteile im Fahrzeugbau umfassen Nocken- und Getriebewellen, Achsen, Kupplungsteile und Befestigungselemente, die hohe mechanische Belastungen aushalten müssen.
Maschinen- und Anlagenbau
Hier finden Vergütungsstähle Anwendung in Wellen, Ritzeln, Zahnrädern und Kettengliedern, da diese Komponenten hohe Rotationskräfte und dynamische Belastungen bewältigen müssen.
Flugzeugtechnik
Flugzeugfahrwerke müssen große Kräfte absorbieren und gleichzeitig langfristige Zuverlässigkeit bieten. Die extremen Belastbarkeiten machen Vergütungsstahl ideal für sicherheitskritische Teile in der Luftfahrt.
Werkzeugbau und Agrartechnik
Vergütungsstähle sind essenziell im Werkzeugbau für langlebige Schneid- und Formwerkzeuge und in der Agrartechnik für hochbelastbare Schmiedeteile und Konstruktionselemente.
Bearbeitung und Schweißen von Vergütungsstahl
Die Bearbeitung von Vergütungsstahl erfolgt meist im bereits vergüteten Zustand. Komplexe Umformungen oder Schrupparbeiten erfordern zunächst eine Normalisierung des Stahls, gefolgt von einer Vorbearbeitung und abschließenden Vergütung.
Beim Schweißen von Vergütungsstahl ist Vorsicht geboten. Der höhere Kohlenstoffgehalt kann zu örtlicher Aufhärtung der Schweißzone führen. Um Risse zu vermeiden und die Schweißverbindung zu sichern, sind Wärmebehandlungen vor und nach dem Schweißen entscheidend.
Vorteile der Wärmebehandlung beim Schweißen
- Reduzierung thermischer Spannungen: Das Vor- und Nachwärmen minimiert Spannungen.
- Vermeidung von Rissen: Wärmebehandlungen verringern die Gefahr von Rissbildung.
- Verbesserung der Schweißbarkeit: Vorbereitende und nachbearbeitende Maßnahmen erhöhen die Effizienz und Sicherheit des Schweißprozesses.
Bezeichnungen und Normen
Vergütungsstähle sind durch spezifische Bezeichnungen und Normen charakterisiert, die ihre chemische Zusammensetzung und mechanischen Eigenschaften definieren.
Klassifikation
- Unlegierte Vergütungsstähle enthalten hauptsächlich Kohlenstoff und geringe Mengen anderer Elemente.
- Legierte Vergütungsstähle enthalten Zusätze wie Chrom, Mangan, Nickel und Molybdän.
Normen
Vergütungsstähle sind nach DIN EN ISO 683 und DIN EN 10132 genormt:
- DIN EN ISO 683-1: Unlegierte Vergütungsstähle.
- DIN EN ISO 683-2: Legierte Vergütungsstähle.
- DIN EN 10132-3: Kaltband aus unlegierten und legierten Vergütungsstählen.
Die Einhaltung dieser Normen gewährleistet weltweit standardisierte Qualitätsmerkmale und Eigenschaften der Vergütungsstähle.
Explizite historische Bezeichnungen wie Ck45 für C45E werden teilweise weiterhin verwendet und können die Zuordnung der Stahlsorten erleichtern. Die korrekte Auswahl unter Berücksichtigung der spezifischen Normen ist entscheidend für die gewünschten mechanischen Eigenschaften.