Funktionsweise des Belebtschlammverfahrens
Beim Belebtschlammverfahren handelt es sich um ein biologisches Verfahren zur Reinigung von Abwasser. Mikroorganismen verwenden die gelösten organischen Stoffe im Abwasser als Nährstoffe und bauen dadurch die Schadstoffe ab. Diese Mikroorganismen, hauptsächlich Bakterien, bilden den sogenannten Belebtschlamm, welcher eine graubraune Masse darstellt.
Prozessführung
- Belüftung des Abwassers: Im Belebungsbecken wird das Abwasser kontinuierlich mit Sauerstoff angereichert. Verschiedene Belüftungsmethoden wie Belüftungskreisel, Bürstenwalzen, Gebläse und Membranbelüfter kommen zum Einsatz, um den Stoffwechsel der Mikroorganismen zu unterstützen.
- Abbau der organischen Stoffe: Mikroorganismen nutzen die organischen Verbindungen im Abwasser als Nahrungsquelle, was die Schadstoffkonzentration verringert. Je nach spezifischem Verfahren beträgt die Aufenthaltsdauer des Abwassers im Belebungsbecken zwischen 4 und 12 Stunden.
- Sedimentation im Nachklärbecken: Nach der biologischen Reinigung wird das Wasser-Schlamm-Gemisch ins Nachklärbecken geleitet. Hier sedimentiert der Belebtschlamm, während das gereinigte Abwasser oben abfließt.
- Rückführung des Schlamms: Der abgesetzte Belebtschlamm wird größtenteils in das Belebungsbecken zurückgeführt, um eine hohe Konzentration an aktiven Mikroorganismen aufrechtzuerhalten. Überschussschlamm, der durch das Wachstum der Mikroorganismen entsteht, wird entfernt und in die Schlammbehandlung überführt.
Das Belebtschlammverfahren zeichnet sich durch seine Flexibilität aus. Es kann an unterschiedliche Abwasserzusammensetzungen und -belastungen angepasst werden, indem Parameter wie die Schlammalter, Belüftungsintensität und Verweilzeiten variiert werden.
Komponenten des Belebtschlammverfahrens
Das Verfahren umfasst mehrere wesentliche Komponenten:
1. Belebungsbecken:
Hier erfolgt die zentrale biologische Abwasserreinigung durch die Anreicherung mit Sauerstoff, wodurch Mikroorganismen organische Verbindungen abbauen können. Unterschiedliche Beckenformen wie längliche oder vertikale Airlift-Reaktoren werden oft verwendet.
2. Nachklärbecken:
Dieses Becken trennt das Wasser-Schlamm-Gemisch. Der Schlamm sedimentiert am Boden, während das gereinigte Wasser abfließt.
3. Rücklaufschlammförderung:
Der sedimentierte Schlamm wird größtenteils ins Belebungsbecken zurückgeführt. Ein Teil des Schlamms wird als Überschussschlamm abgezogen und behandelt.
4. Belüftungsanlagen:
Verschiedene Technologien sorgen für die notwendige Sauerstoffzufuhr, um biologische Oxidationsprozesse zu unterstützen.
5. Überschussschlammentsorgung:
Da die Mikroorganismen beständig wachsen, muss der überschüssige Schlamm regelmäßig entfernt werden.
Diese Komponenten arbeiten zusammen, um eine effiziente Abwasserreinigung zu gewährleisten und flexible Anpassungen an unterschiedliche Abwasserbedingungen zu ermöglichen.
Belebtschlammflockenbildung und -zerfall
Die Bildung stabiler Belebtschlammflocken ist für die effektive Trennung von Feststoffen und Flüssigkeiten im Nachklärbecken essentiell. Belebtschlammflocken bestehen aus Mikroorganismen, organischen und anorganischen Partikeln sowie EPS (extrazelluläre polymere Substanzen). EPS bindet die Mikroorganismen durch zweiwertige Kationen wie Calcium.
Zweiwertige Kationen verknüpfen die geladenen Enden der EPS mit den Mikroorganismen und stabilisieren die Flocken. Einwertige Kationen wie Natrium können diesen Prozess stören, indem sie Calciumionen verdrängen. Dies führt zu instabilen Flocken und beeinträchtigt die Separationsleistung.
Industriezweige wie Lebensmittelbetriebe, die hohe Natriummengen einleiten, können die Flockenbildung negativ beeinflussen. In solchen Fällen muss Calcium hinzugefügt werden, um die Flockenstabilität zu gewährleisten und die Effizienz der Abwasserreinigung zu verbessern.
Stickstoffelimination im Belebtschlammverfahren
Stickstoff wird hauptsächlich in Form von Ammonium und Nitrat im Abwasser gefunden und muss entfernt werden, um negative Auswirkungen auf die Umwelt zu vermeiden. Dies geschieht durch Nitrifikation und Denitrifikation.
Nitrifikation
Die Nitrifikation ist ein aerober Prozess, bei dem Ammonium zuerst zu Nitrit und dann zu Nitrat oxidiert wird. Chemolithoautotrophe Bakterien wie Nitrosomonas und Nitrobacter sind an diesem Prozess beteiligt. Sauerstoff ist dabei entscheidend, und die Nitrifikation produziert Protonen, die zur Versauerung beitragen.
Denitrifikation
Die Denitrifikation ist ein anoxischer Prozess, in dem Nitrat zu molekularem Stickstoff reduziert wird. Heterotrophe Bakterien nutzen Nitrat als Elektronenakzeptor, wenn kein Sauerstoff verfügbar ist. Eine externe Elektronenquelle, wie organische Verbindungen im Abwasser, wird benötigt.
Integration von Nitrifikation und Denitrifikation
Es gibt verschiedene Ansätze, um beide Prozesse in Abwasseranlagen effizient zu integrieren:
- Simultane Denitrifikation: Wechselseitige oxische und anoxische Phasen in einem Becken.
- Vorgeschaltete Denitrifikation: Anoxisches erstes Becken mit Rückführung von Nitrat aus dem zweiten Becken.
- Nachgeschaltete Denitrifikation: Ein zweites Becken dient der Denitrifikation nach der Nitrifikation im ersten Becken.
Durch diese Kombinationen wird eine effiziente Stickstoffelimination erreicht, die zur Reduzierung der Nährstoffbelastung in Gewässern beiträgt.
Phosphorentfernung im Belebtschlammverfahren
Phosphor im Abwasser kann ökologische Probleme verursachen. Die Entfernung von Phosphor ist daher wichtig und kann biologisch oder chemisch erfolgen.
Biologische Phosphorentfernung
Diese Methode nutzt wechselnde anaerobe und aerobe Bedingungen zum Phosphorabbau durch Mikroorganismen. Verschiedene Verfahren wie das Bardenpho- oder das A2/O-Verfahren maximieren die Effizienz.
Chemische Phosphorentfernung
Durch Zugabe von Fällmitteln wie Eisen- und Aluminiumsalzen reagiert Phosphor und bildet schwerlösliche Verbindungen, die als Schlamm entfernt werden.
Die biologische Methode reduziert den Einsatz von Fällmitteln, während die chemische Methode eine präzise Steuerung erfordert, um optimale Ergebnisse sicherzustellen.
Blähschlamm und Schwimmschlamm
Im Belebtschlammverfahren können Blähschlamm und Schwimmschlamm Probleme verursachen, indem sie die Absetzeigenschaften des Schlamms beeinträchtigen.
Blähschlamm
Blähschlamm resultiert aus dem übermäßigen Wachstum fadenförmiger Bakterien, die zu größeren Schlammvolumina führen. Ein Ungleichgewicht in den Nährstoffverhältnissen kann dieses Wachstum fördern.
Schwimmschlamm
Schwimmschlamm bildet sich durch wasserabweisende Stoffe wie Fette und Öle und kann durch Denitrifikation begünstigt werden.
Maßnahmen zur Kontrolle
Um Bläh- und Schwimmschlamm zu kontrollieren, können folgende Maßnahmen ergriffen werden:
- Flockungsmittelzugabe: Fördert die Schlammaggregation und verbessert die Absetzeigenschaften.
- Schlammabzug: Regelmäßiger Abzug von überschüssigem Schlamm von der Oberfläche des Nachklärbeckens.
- Nährstoffmanagement: Überwachung der Nährstoffverhältnisse im Belebtschlamm, um das Wachstum fadenförmiger Bakterien zu verhindern.
Mit diesen Maßnahmen kann die Effizienz der Abwasserreinigung verbessert werden.
Betriebsführung und Optimierung
Eine erfolgreiche Betriebsführung des Belebtschlammverfahrens erfordert die Berücksichtigung mehrerer Faktoren zur Maximierung der Effizienz und Minimierung der Betriebskosten.
Wichtige Parameter
1. Sauerstoffmanagement:
Stellen Sie sicher, dass die Sauerstoffzufuhr präzise auf den Bedarf der Mikroorganismen abgestimmt ist. Zielwerte von etwa 2 mg/l gelten als optimal.
2. Nährstoffverhältnisse:
Ein ideales Verhältnis von Kohlenstoff, Stickstoff und Phosphor ist für das Bakterienwachstum wichtig. Typischerweise wird ein Verhältnis von 100:5:1 empfohlen.
3. Pufferkapazität:
Die Pufferkapazität des Abwassers sollte ausreichen, um pH-Wert-Schwankungen zu kompensieren und stabile Bedingungen für die Mikroorganismen zu schaffen.
4. Überschussschlammentnahme:
Regelmäßige Kontrolle und Steuerung der Schlammentnahme helfen, die Belebtschlammkonzentration auf einem optimalen Niveau zu halten.
Einsatz moderner Technologien
- Steuerungssysteme: Nutzen Sie moderne Steuerungssysteme und Sensorik zur Überwachung und Regelung der Prozessparameter.
- Belüftungstechnologien: Verwenden Sie energieeffiziente Belüftungstechnologien wie Membranbelüfter und adaptive Steuermechanismen.
Durch die regelmäßige Überprüfung dieser Faktoren können die Betriebskosten gesenkt und eine nachhaltige Abwasserreinigung gewährleistet werden.