Das Gewohnheitsrecht bei Grenzbebauung – Was gilt?
Gewohnheitsrecht, also ungeschriebenes Recht, kommt nur in Ausnahmefällen zum Tragen, wenn kein geschriebenes Gesetz existiert. Bei Grenzbebauungen sind Landesbauordnungen und das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) jedoch sehr detailliert. Diese Regelungen umfassen Vorschriften zu Abstandsflächen, Grenzbauten und ortsüblichen Einfriedungen.
In speziellen Fällen könnte Gewohnheitsrecht relevant werden, etwa bei gemeinschaftlich genutzten Anlagen auf der Grenze zwischen Grundstücken. Hier sind gemäß § 921 BGB beide Eigentümer zur Nutzung berechtigt, wenn die Einrichtung beiderseitige Vorteile bietet. Ein Beispiel ist der Überbau, bei dem ein Bauwerk auf das Nachbargrundstück hinausragt. Dieser ist zu dulden, sofern der Bauherr nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig gehandelt hat.
Gewohnheitsrecht wird oft mit Naturschutz und Bestandsschutz verwechselt. Diese Bereiche, wie Notwegerecht oder Änderungen an Bebauungsplänen, sind im geschriebenen Recht fest verankert. Eine langjährige Duldung der Nutzung eines Wegs über Nachbars Grundstück begründet kein Notwegerecht, wenn eine alternative Zuwegung existiert.
Bei der Grenzbebauung müssen Sie sich in erster Linie an die geschriebenen Gesetze halten. Vermeiden Sie, sich auf vermeintliche Gewohnheitsrechte zu berufen, und suchen Sie stets den Dialog mit Ihrem Nachbarn, um Konflikte einvernehmlich zu klären.
Lösungsansätze bei Grenzbebauung und Gewohnheitsrecht
1. Grenzabmarkung und Einigung:
Eine klare und einvernehmliche Festlegung der Grundstücksgrenzen kann viele Konflikte vermeiden. Zögern Sie nicht, einen öffentlich bestellten Vermessungsingenieur hinzuzuziehen, wenn Sie sich über den Grenzverlauf unsicher sind. Ein Grenzfeststellungsvertrag, der die genauen Grenzpunkte festlegt, hilft, zukünftige Unstimmigkeiten zu vermeiden.
2. Notwegerecht als Lösung:
Wenn Ihr Grundstück keinen Zugang zum öffentlichen Verkehrsraum hat, könnten Sie Anspruch auf ein Notwegerecht haben. § 917 BGB erlaubt Ihnen, ein über das Nachbargrundstück führendes Wegerecht zu beantragen, falls keine alternative Zuwegung existiert.
3. Duldung und Leihverhältnis:
Oft dulden Nachbarn über Jahre die Nutzung ihres Grundstücks durch Dritte. Ein Duldungsvertrag sichert beide Parteien rechtlich ab. Dies ist besonders sinnvoll für Durchfahrten oder die Nutzung von Anlagen auf der Grundstücksgrenze.
4. Bestandsschutz beachten:
Wenn ein Gebäude oder eine Anlage bereits lange existiert und nach den damals geltenden Vorschriften errichtet wurde, genießt es Bestandsschutz. Dieser Schutz verhindert den Abriss alter Bauwerke, selbst wenn diese nicht mehr rechtskonform sind. Schwarzbauten hingegen genießen keinen Bestandsschutz und müssen entfernt werden.
5. Ortsübliche Bebauung und Einfriedung:
Prüfen Sie, ob Ihre Baumaßnahmen den ortsüblichen Verhältnissen entsprechen, beispielsweise in Bezug auf die Höhe von Zäunen oder die Art der Bepflanzung. Signifikante Abweichungen können zu Konflikten führen, und Ihr Nachbar könnte die Entfernung oder Änderung der Bebauung verlangen.
6. Vermeidung von Eigenmacht:
Vermeiden Sie Eigenmacht, indem Sie keine baulichen Maßnahmen ohne die Zustimmung des Nachbarn durchführen. Einvernehmliche Lösungen und vertragliche Fixierungen im Grundbuch können spätere Streitigkeiten verhindern. Dies ist insbesondere bei Wegerechten oder Installationen wie Abwasserleitungen wichtig.
7. Mediation bei Konflikten:
Sollte es dennoch zu Konflikten kommen, kann Mediation helfen, eine gütliche Einigung zu finden. Ein Mediator unterstützt beide Parteien dabei, eine für alle akzeptable Lösung zu erarbeiten, ohne kostspielige Gerichtsverfahren.
Diese Lösungsansätze bieten rechtliche Klarheit und tragen zu einer guten Nachbarschaft bei, indem sie helfen, mögliche Konflikte konstruktiv zu lösen.